Zukunft neu denken - Markus Roth im Gespräch mit Christiane Varga
Und nun denken Sie an die letzten 2 Jahre – wie viele Umbrüche und Veränderungen kommen Ihnen im Vergleich hier in den Sinn? Wahrscheinlich sehr viele, manche würden sagen zu viele. Ist dieser rasante Wandel nur ein vorübergehendes Phänomen oder müssen wir uns in Zukunft an dieses Tempo gewöhnen? Markus Roth geht dieser Frage im Interview mit Trend- und Zukunftsforscherin Christiane Varga, Keynote-Speakerin beim diesjährigen Consultants Day, auf den Grund.
Roth: Frau Varga, wir haben im Moment herausfordernde Zeiten. Was sind aktuell die größten Herausforderungen, die auf Unternehmer:innen zukommen?
Varga: Ich denke die größte Herausforderung ist, dass die Zukunft so ungewiss wie nie zuvor ist und sich dadurch kaum planen lässt. Wer ruhig und besonnen bleibt, kann die Vergangenheit reflektieren und sich Fragen stellen wie: Was nehme ich aus meiner Vergangenheit mit? Was hat sich bewährt und wie kann ich meine Dienstleistungen oder Produktangebote neu sortieren.
Roth: Sie reden ganz stark über den Wandel – was kommt da auf uns zu? Was ist im Wandel und ist wirklich alles im Wandel?
Varga: Ja, es ist alles im Wandel. Das kann etwas überfordernd sein, aber es bedeutet schlicht, dass sich überall Strukturen verändern. Wir sehen das ganz stark im Bereich des Wohnens und Arbeitens, wo flexibles dezentrales Arbeiten und Formen der New Work wie die 4-Tage-Woche oder Home-Office verstärkt Einzug halten. Alles was die Pandemie sichtbar gemacht hat und aus meiner Sicht auch schon vorher da war, das gilt es jetzt neu zu verhandeln und zu diskutieren. Die gute Nachricht dabei ist: Wenn sich alles verändert, können wir auch neue Strukturen und Ideen mitgestalten.
Das Positive an der jetzigen Situation ist, dass jede:r Einzelne die Chance für sich nutzen kann: Wie stelle ich mein Business in Zukunft auf? Welchen Beitrag kann ich dazu leisten, dass die Gesellschaft neu mit Arbeit umgeht und sich neue Wohnstrukturen etablieren? Das ist auch eine schöne Zeit des Wandels.
Roth: Wie bereite ich mich jetzt optimal auf die Zukunft vor?
Varga: Der erste Schritt ist das Bewusstsein für eine disruptive Zukunft. Man sollte sich darauf einstellen, dass viele unvorhergesehene Dinge passieren und uns kräftig durchrütteln können – das gehört zum Leben ganz klar dazu! Wandel ist etwas Normales und hat – auch wenn er oft schwer ist und schwerfällt – immer das Neue hervorgebracht. Sich darauf einzustellen ist auf jeden Fall eine wichtige Basis. Der zweite konkrete Punkt betrifft den Austausch und die Kommunikation mit Anderen: Wie geht es meinen Branchenkolleg:innen? Wie geht es anderen Branchen? Durch diese Vernetzung bekommt man zum Teil neue Blickwinkel auf verschiedenste Dinge, was gerade in der jetzigen Zeit sehr wichtig ist.
Roth: Unternehmensberater:innen werden meist aufgrund ihres Wissens und des Branchenüberblicks in Betriebe gerufen. Hilft oder schadet ihnen dieser schnelle Wandel?
Varga: Ich glaube beides. Gerade wenn sich viel verändert, gibt es viel (Neues) zu wissen. Auch wenn es unzählige Informationen zu neuen Themen, Trends und Entwicklungen gibt, die man weitergeben kann, darf man allerdings nicht vergessen: Wir leben in einer Zeit, in der man auch als Expert:in nicht alles wissen kann. Genau jetzt sind Kooperationen und Kollaboration ein zentraler Faktor. Sich mit Branchenkolleg:innen oder Vertreter:innnen aus anderen Branchen auszutauschen und vielleicht auch zusammenzuarbeiten kann sehr spannend und bereichernd sein.
Roth: Herzlichen Dank für Ihre Sichtweise und dieses spannende Interview.
Christiane Varga arbeitet als Trend- und Zukunftsforscherin in Wien und beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Facetten der Frage "Wie leben wir in Zukunft?". Sie ist Vortragende und Autorin zahlreicher Publikationen. Sie studierte Neuere Deutsche Literatur, Mediävistik und Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Als Lehrbeauftragte unterrichtet sie heute an der FH Joanneum in Graz das Fach "Design Research". Sie ist überzeugt: Um mit einer komplexen Gegenwart – und Zukunft – umgehen zu können, ist Silo-Denken passé.